CODN - Europa-FELS - Kooperationsseminar zu eLearning als ...
28.06.2009

CODN - Europa-FELS - Kooperationsseminar zu eLearning als internationale COMENIUS-Lehrerfortbildung: eLearning aus polnischer Sicht

Sind die Klassen 7 bis 9 der richtige Ort für das E-Learning?


Beata Chodacka

Bevor die oben gestellte Frage beantwortet werden kann, muss vor allem erwogen werden, ob alle Parteien des didaktischen Prozesses für das E-Learning im genügenden Maße vorbereitet sind. Die ganz offensichtliche Voraussetzung ist das vorhanden sein der entsprechenden technischen Ausrüstung. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass diese an den meisten polnischen Schulen soweit vorzufinden ist, dass diese Form des Unterrichtens aufgenommen werden könnte.

Betrachtet man unter diesen Umständen die technische Ausrüstung der Lehrer und Schüler, so scheinen heutzutage die letzteren, die Jugendlichen nämlich am besten vorbereitet zu sein, die täglich vom Internet Gebrauch machen, vor allen Dingen von der E-Post und den IM-Diensten (instant messaging für „sofortige Nachrichtenübermittlung“). Die jungen Leute verbringen recht viel Zeit im Internet mit dem Verfassen von Blogs, Äußerungen auf diversen Foren sowie Teilnahme an Netzspielen. Das Internet stellt für den heutigen Schüler die einfachste Form der Informationssuche, sozialer Kontaktpflege und Musikhören dar. Daher erscheint die Einführung des E-Learnings als Unterstützung der traditionellen Unterrichtformen nicht nur natürlich sondern sogar notwendig. Wenn schon der Durchschnittsteenager den Großteil seiner Zeit im Internet verbringt, wieso sollte es dort nicht auch eine Online-Schule geben.

Unter den Lehrern gibt es – wie bei allen Neuerungen – solche, die Befürchtungen hegen und solche, die sie sofort und enthusiastisch bei ihrer Arbeit einsetzen möchten. Die Befürchtungen den neuen Unterrichtsformen gegenüber, hängen u.a. mit der Angst vor Positionsverlust innerhalb des didaktischen Prozesses zusammen, und viel öfter noch, mit dem Fehlen der erforderlichen Fertigkeiten. Doch kann der erste Kontakt mit dem E-Learning durchaus nicht nur diese Ängste der Lehrer aufheben, sondern ihnen gar das Gefühl der Erweiterung ihrer Möglichkeiten vermitteln und neue Berufswege öffnen.

Betrachtet man nun den Vorgang des Unterrichtens, d.h. analysiert man die einzelnen Bestandteile des didaktischen Prozesses, lassen sich Elemente ausmachen, die in einem direkten Zusammenhang mit der Person des Lehrers stehen, sei es mit einzelnen Aspekten seiner Persönlichkeit, sei es mit Begabung, Wissen, Ernsthaftigkeit seiner Haltung der Arbeit gegenüber sowie Leidenschaft am Unterrichten und seinen persönlichen Interessen. Der Lernprozess wird wesentlich von den Kommunikationsvorgängen zwischen dem Lehrer und dem Schüler geprägt, der Klarheit bei der Wissensvermittlung aber auch der Unterstützung des selbständigen Arbeitens des Schülers. Das Unterrichten kann durchaus auf Entfernung statt finden, doch ist die Rolle, die der Lehrer zu erfüllen hat dabei genauso so wichtig, wenn nicht gar noch wichtiger als bei den herkömmlichen Methoden. Besondere Bedeutung kommt dann der Fähigkeit zu sein Handwerk der sich stetig wandelnden Umwelt und den Interessen seiner Schüler anzupassen sowie ihren erkenntnissuchenden Aktivitäten zu folgen.

Daher ist das für uns Lehrer nicht nur eine neue Methode Wissen zu vermitteln und mit den Schülern zu kommunizieren, sonder vor allem auch ein neuer Bereich des handwerklichen Könnens, sowohl im Sinne neuer Instrumente als auch neuer Unterrichtsmethodik, die das E-Learning mit sich bringt.

Die praktische Nutzung der E-Learning-Plattform im Informatikunterricht in den Klassen 7 bis 9

Die Nutzung der Plattform in den Klassen 7 bis 9 kann zweigleisig verlaufen: ganze Themenbereiche können ausschließlich über die Plattform vermittelt werden oder sie wird als Unterstützung der herkömmlichen Vorgehensweisen rangeholt. An der Schule, an der die Verfasserin dieses Artikels unterrichtet, sind die hier vorgestellten Kurse zweigleisig verlaufen – einer in völliger Loslösung vom Unterrichtsraum, der andere als Ergänzung des Unterrichts. Anmerkungen und Schlussfolgerungen aus diesem kleinen (in anbetracht der Größe der untersuchten Gruppe) Experiment werden in diesem Artikel dargelegt.

Ein Themenbereich wurde ausschließlich über die Plattform vermittelt, ohne zusätzliche Bearbeitung in der Klasse, wobei im Vorfeld folgende Grundsätze festgelegt wurden:

* Die Schüler sollten ausschließlich zu Hause oder in der Schule
nach dem Unterricht arbeiten,

* Die Kontaktaufnahmen mit dem Lehrer sollte sich auf die
elektronische Post beschränken,

* Die Bewertung der Aufgabenbewältigung, jeweils mit schriftlicher
Begründung, sollte als Komponente in die Gesamtbewertung im
Unterrichtsfach einfließen,

* Die Arbeit in Gruppen sollte ausschließlich im virtuellen Raum
statt finden,

* Der gesamte Arbeitszyklus sollte mit der ECDL-Prüfung
(Europäisches Zertifikat zum Nachweis von IT-Kenntnissen )
abgeschlossen werden.

Der über die Plattform durchgeführte Kurs hatte Dienstleistungen in Internet- Netzwerken zum Thema. Alle Aufgaben wurden von den Schülern zu Hause bearbeitet. Anfangs entsprach die Aufgabenstellung den gewöhnten Standards, mit der Zeit und fortschreitender Gewöhnung an die Arbeitsweise auf der Plattform wurde sie immer anspruchsvoller. Die Bewertung der Aufgabenbewältigung, wie bereits erwähnt, war Teilbewertung im Unterrichtsfach.

Das zweite Thema bediente sich der Lernplattform zur Ergänzung der herkömmlichen Lehrformen. Hierbei wurden folgende Grundsätze festgelegt:

* Die Schüler sollten hauptsächlich während des Unterrichts
arbeiten, zu Hause konnte man nochmals die Aufgaben durchsehen,
interessante Einzelheiten nachlesen, die Antworten und Lösungen
einschicken,

* Man konnte sowohl direkt als auch per E-Mail den Lehrer ansprechen,

* Die im Unterricht bewältigten Aufgaben wurden der Gruppe auf der
Plattform präsentiert,

* Interessante, kennenlernenswerte Problemstellungen wurden auf die
Plattform reingestellt,

* Geeignetes Selbstlernmaterial wurde zur Verfügung gestellt, damit
bei Bedarf die Schüler ihr Wissen erweitern konnten,

* Die Schüler hatten die Möglichkeit auf Foren Diskussionen zu führen,

* Genau wie beim ersten Thema, sollte der gesamte Arbeitszyklus mit
einer externen ECDL-Prüfung abgeschlossen werden.

Der Kurs hatte die Management-Grafik und Präsentationsgestaltung zum Thema (vor allem Kenntnisse des Power-Point-Programms), die Schüler präsentierten ihre Arbeiten auf der Plattform und der Lehrer stellte dort zusätzliche Informationen, Selbstlernmaterial und interessante Neuigkeiten rein. Allen stand es frei, sich an themenbezogenen Foren zu beteiligen.

Beide Arbeitsformen wurden von den Schülern enthusiastisch aufgenommen, was nicht bedeuten soll, dass die Arbeit störungsfrei oder problemlos abgelaufen sei. Die Probleme wurden weiter unten aufgelistet:

Bei dem ausschließlich auf der Plattform durchgeführten Projekt:

* Es ist nicht gelungen den Kontakt mit dem Lehrer nur auf die
elektronische Form zu beschränken,

* Die Gruppe hat die Abgabefristen für ihre Arbeiten nicht einhalten
können,

* Die Arbeit in Untergruppen verlief nicht über das Netz, sondern
ganz herkömmlich bei gemeinschaftlichen Treffen.

Die aufgetretenen Störungen äußerten sich in folgenden Verhaltensformen der Schüler:

* Die Schüler sprachen den Lehrer oft persönlich in den Pausen an um
die Aufgabenstellung inhaltlich zu klären aber auch technische
Probleme mit der Plattform zu erörtern,

* Die Schüler haben ihre Arbeiten nicht termingerecht abgegeben –
oft aus technischen Gründen aber auch aus Mangel an
Selbstdisziplin und der Unfähigkeit sich die Arbeit selbst
einzuteilen,

* Die Tatsache, dass die Arbeiten benotet wurden fand keine
wohlwollende Aufnahme,

* Die Plattform wurde zu einer zusätzlichen Verpflichtung
(insbesondere weil die Aufgaben zwischen den regulären
Informatikstunden, die andere Themen behandelten, aufgegeben wurden)

* Ein Teil der Schüler beklagte sich über mangelnde Erläuterungen
des Lehrers bei der Bearbeitung des Themas,

* Es gab auch Schüler, die den größten Vorteil der Plattform darin
erblickten, dass sie nicht zur Arbeit um eine bestimmte Zeit oder
unter bestimmten Bedingungen gezwungen waren.

Die Evaluation des erworbenen Wissens durch die externe ECDL-Prüfung brachte sehr gute Ergebnisse. Die Mehrheit der Schüler bestand sie fehlerfrei oder mit 2 – 3 Fehlern. Nur einigen Schülern unterliefen mehr als 3 Fehler, sie erreichten aber immer noch die vorgeschriebene Punktzahl und bestanden die Prüfung. (Voraussetzung waren nicht mehr als 8 Fehler, d.h. 75% korrekter Antworten.)

Der Kurs, der unter Einbindung der Plattform in den herkömmlichen Unterricht durchgeführt wurde, brachte ein wenig andere Ergebnisse. Da hier der Plattform die Funktion eines zusätzlichen Hilfsmittels zukam, da sie als Ergänzung, schwarzes Brett und der Ort für Diskussion und Präsentation diente, wurde sie für ein vollends positives und nützliches Instrument sowohl für die Schüler als auch für den Lehrer befunden. Die Hausaufgaben wurden vor der ganzen Gruppe präsentiert und somit auch von anderen Schülern beurteilt, was wesentlich zur Steigerung ihrer „Qualität“ beitrug. Die Schüler, die dem Unterricht ferngeblieben waren hatten die Möglichkeit den durchgenommenen Stoff zu Hause einzusehen, nachzuarbeiten und ihre Hausarbeiten zur Beurteilung einzuschicken. Auch in diesem Falle waren die Ergebnisse der Evaluation des erworbenen Wissens mittels der externen ECDL-Prüfung zufriedenstellend. Die Mehrheit schrieb sie, ähnlich wie bei dem ausschließlich über die Plattform durchgeführtem Kurs, fehlerfrei oder mit 1 bis 3 Fehlern. Nur 2 Schüler machten mehr als 3 Fehler, auch sie konnten aber die vorgeschriebenen Punktzahl erreichen und bestanden die Prüfung.

Die Beurteilung durch die Schüler.

Wichtig, vielleicht am wichtigsten scheint dabei die Beurteilung der Plattform, zu der die Schüler selbst auf einem eigens dafür eingerichtetem Forum gekommen sind. Ihre Äußerungen wurden für diesen Artikel von einer Schülerin der 9 Klasse zusammengefasst.


Die Vorteile

* Das Lernen nur mit Hilfe des Computers erschien ziemlich
unrealistisch und schwierig in der Durchführung, doch stellte
sich am Ende etwas anderes heraus,

* Eine interessante, neue Art des Arbeitsverlaufs, ein
gemeinschaftliches Forum und klar durchdachte Abfolge der zu
erledigenden Tätigkeiten,

* Die Verteilung der Aufgaben in Zeitfolge und die Möglichkeit sie
zu Hause auszuführen (bei Abwesenheit den Stoff nachzuarbeiten),

* Die Computerfertigkeiten der Schüler wurden durch die Arbeit auf
der Plattform selbst gefördert.


Die Nachteile

* Kein Zugang zum Computer zu Hause,

* Wenig attraktive Gestaltung, uninteressante Website, die nur
bedingt zur Arbeit motiviert,

* Schwierigkeiten, die bei der Suche nach einzelnen Aufgaben oder
neuen Anweisungen auftraten sowie Schwierigkeiten diese inhaltlich
zu verstehen,

* Gewisse (nicht schwerwiegende) Beschwerlichkeit beim Einloggen, da
man jedes Mal gezwungen war das Log in einzugeben.


Schlussfolgerungen der Schüler

* Der Einsatz des E-Learnings bei dem Allgemeinunterricht wäre
eine sehr gute Möglichkeit die Arbeit in der Schule moderner zu
gestalten,

* Als hinderlich könnten sich dabei mangelhafte Computerausstattung
an den Schulen und bei den Schülern zu Hause, sowie unzureichende
Kompetenz der Lehrer erweisen,

* Erhebliche finanzielle Mittel müssten vom Staat aufgebracht werden
um die Lehrer entsprechend zu schulen und die notwendige
Ausrüstung in den Schulen und zu Hause sicher zu stellen.

Das Urteil der Lehrer

In der Stufe der Klassen 7 bis 9 sind die Schüler noch nicht vollends für die selbständige Arbeit an der Bewältigung der E-Learning-Kurse vorbereitet. Sie bedürfen des persönlichen Kontakts mit dem Lehrer und der Gruppe. Dies hängt nach Ansicht der Verfasserin u.a. mit dem Stadium der Persönlichkeitsentwicklung zusammen, in dem sich die Schüler befinden und der damit einhergehender Art die Beziehung zur Umwelt aufzubauen. In diesem Stadium spielen die Emotionen eine große Rolle und die Wahrnehmung der Umwelt schwankt zwischen recht extremen Eindrücken. Die Wissensvermittlung ausschließlich auf elektronischem Wege kommt den Bedürfnissen der Schüler in diesem Alter nicht vollends entgegen. Andererseits scheinen der Wissensdurst und die Fähigkeit elektronischen Technologie zu nutzen den Einsatz des E-Learnings als Unterstützung der herkömmlichen Unterrichtsformen zu begünstigen. Diese Arbeitsweise kann zur vielerlei Funktion in dieser Schulstufe herangezogen werden – als Unterstützung des herkömmlichen Unterrichts, seine Ergänzung oder Weiterentwicklung. Sie ermöglicht unter anderem:

* Die Präsentation von interessanten Fragen, die über das Curriculum
hinausweisen und insbesondere begabten Schülern Gelegenheit bietet
ihre Interessen zu vertiefen,

* Grundkenntnisse auf unterschiedliche Art und Weise zu präsentieren
und sie mit Zusatzübungen für lernschwächere Schüler zu verbinden,

* Nutzung zur Präsentation von Hausaufgaben und Schülerarbeiten, was
die Anhebung ihrer Qualität nach sich zieht,

* Außerschulische Diskussion zu ausgesuchten Themen wie etwa die
Vorbereitung der Aufgaben oder die im Unterricht behandelten Fragen,

* Unterbringung vom didaktischen Material und seine Nutzung bei der
Wiederholung des Stoffes,

* Die Möglichkeit in einzelne Themenbereiche jederzeit Einsicht zu
nehmen, was das Nachholen der durch die Schüler verpassten Themen
begünstigt,

* Den Aufbau von landesweiten Lernplattformen für Wettbewerbe in
einzelnen Fächern,