Frau Dr.h.c.Doris Pack MdEP: Gespräch mit Europa-FELS ...
05.05.2010

Frau Dr.h.c.Doris Pack MdEP: Gespräch mit Europa-FELS und Rede: Europa - für den Menschen

Europa-FELS-Mitarbeiter haben sehr gerne die Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch mit Frau Dr. Pack über aktuelle Arbeitsgebiete des Ausschusses für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments und zukünftige Programme im Bereich der Bildung genutzt.

Anlässlich des Wissenschaftstages der Metropolregion Nürnberg "Alles für den Mensch" am Freitag, den 30.04.2010, in der Bamberger Konzert- und Kongresshalle (Gastgeber: Universität Bamberg und Stadt Bamberg) hat Frau Dr.h.c.Doris Pack MdEP (Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung des Europäischen Parlamentes) in Ihrer Rede aufgezeigt, welchen hohen Stellenwert Bildung für die Zukunft der Menschen in Europa hat.

Das Redemanuskript von Frau Dr. Pack wurde uns zugeschickt und wir freuen uns, auf diesem Wege Informationen des Ausschusses für Kultur und Bildung des Europäischen Parlamentes den Mitgliedern unseres Netzwerks zu übermitteln:

Wissenschaftstag Bamberg 30.04.2010
Alles für den Menschen - Europa für den Menschen

es ist eine Ehre zum Auftakt des 4. Wissenschaftstag der Europäischen Metropolregion Nürnberg als Rednerin gebeten worden zu sein; mit ihr in Berührung kam ich ja schon im vergangenen Jahr in der Bayrischen Vertretung in Bxl.

Als Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung des Europäischen Parlamentes begeistert mich immer wieder, wie europäische Regionen ihren Beitrag zu einer globalen – europäischen - Wissensgesellschaft leisten.
Lasssen Sie mich Wim Wenders zitieren, er spricht mir aus dem Herzen und Ihnen sicher auch:

„Ein paar Wort zur der Rolle der Regionen:
Europa ist eine Seelenlandschaft.
Oder besser: will eine werden.
Aber wo ist seine Seele?
Wo schlägt sein Herz...

...wenn nicht da, wo „die Europäer“ leben!?
Und wo leben die?

In den ältesten Einheiten unseres Kontinents,
in seinen Regionen.
Überall da, wo ein Akzent gesprochen wird.
Wo es eine Küche gibt mit eigenen Geschmäckern.
Wo es Marktplätze gibt mit eigenen Früchten.
Wo es ein eigenes Wetter gibt.
Wo es ein eigenes Licht gibt.
Wo eigene Lieder gesungen werden.
Wo eigene Geschichten erzählt werden.
Wo man hingehört.

All das Eigene und Einzigartige in diesem alten Kontinent
ist in Gefahr, zu verschwinden,
weggeweht zu werden von großen globalen Winden.
Und keine nationalen Windbrecher werden diese Stürme aufhalten,
nur eben die große und gute Idee von Europa!
So wie alle diese wunderbaren europäischen Gegenden
(in der Geschichte so oft verfeindet, getrennt, vereint,
von Kriegen heimgesucht...)
ihre Eigenheiten behalten können
unter dem starken Schutz von Europa,
so sehr braucht Europa auch seine Regionen
als seine Urzellen, seinen harten Kern,
um sich zu behaupten
und zu sich selbst zu finden.“

Meine Damen und Herren,
Die Tatsache, dass der Wissenschaftstag nun schon zum 4. Mal stattfindet und - wie sich an der Anzahl der Teilnehmer und Diversität der Referenten unschwer erkennen lässt- großes Interesse hervorruft, verdeutlicht die Wichtigkeit von Veranstaltungen, die die Vertreter verschiedener Disziplinen und Institutionen zusammenführen um den Meinungs- und Wissensaustausch zu vertiefen. Diese Förderung des Austausches ist essentiell für Deutschland aber ebenso für die Europäische Union. Denn nur wenn Wissen geteilt und hinterfragt werden kann, können Lösungen für komplexe Probleme entworfen werden.

II Thema - Alles für den Menschen
Der diesjährige Wissenschaftstag unter dem Motto „Alles für den Menschen“ behandelt ein Thema, das intuitiv zu der Frage führt, was der Mensch überhaupt zum Leben braucht. Würde man sich bei der Beantwortung der Frage lediglich auf den Erhalt der physischen Struktur beziehen, wären die Inhalte dieser Konferenz nur bedingt hilfreich. Jedoch ist in unserer heutigen Gesellschaft klar, dass ein menschenwürdiges Leben mehr ist als lediglich zu überleben. Die Podiumsdiskussionen des heutigen Wissenschaftstages beschäftigen sich daher mit Kultur, Bildung, Gesundheit und Verantwortung. Dinge, die nur bedingt überlebenswichtig sind, aber die Möglichkeit eröffnen, das Leben und die Gesellschaft umfangreich zu erleben, zu reflektieren und letztendlich zu bereichern.


III Bildung für den Menschen
Der wesentliche Kern dessen was ein Mensch zum Leben braucht und wie er dies zu bewältigen mag, liegt in der Bildung. Wer sich bildet - egal in welchem Alter - lernt nicht nur Neues, er lernt auch Altes zu hinterfragen und entwickelt sich persönlich weiter. Der Aufbau und die Tragweite von Bildung sind in einer globalisierten Welt nicht nur für die Konkurrenz und Leistungsfähigkeit eines Staates oder einer staatlichen Gesellschaft von außerordentlicher Bedeutung, sondern sind auch ein Schlüssel für die Zukunft.

Aus diesem Grund hat die Europäische Union in ihrem Programm "Europa 2020" Bildung als eines der zentralen Elemente zur Förderung der europäischen Wirtschaft bestimmt. Die missliche Lage vor allem junger Menschen mit ca. 20% Arbeitslosigkeit ist das Problem Europas. Die EU setzt sich 4 Ziele in diesem Bereich: Exzellenz in höherer Bildung, Mobilität in allen Stufen der Lern- und Lehrzeit, moderne lebenslange Lernformen, Arbeit und Beteiligung der Jugend. Wir müssen die Schulabbrecherzahl drastisch verringern, wir wollen die Zahl der jungen Menschen an Hochschule, Fachhochschule oder ähnlichen hochwertígen Weiterbildungseinrichtungen auf 40% eines Jahrgangs erhöhen.
Solche Zielsetzungen sind nötig, die Länder müssen sich im Interesse ihrer Jugend verpflichten, dahin zu kommen. In Deutschland stoßen solche Vorgaben auf heftigen Widerstand der Bundesländer -" das geht die EU nichts an". Wahr ist, dass wir nur wünschen und anregen können, machen müssen es die Länder .
Die EU Kommission sieht sich als Ideengeber und verpflichtet, zu mahnen, wo die Länder Nachholbedarf haben. Das muss erlaubt sein, da die Zukunftsfähigkeit des gesamten Projektes EU davon abhängt! Einige Beispiele aus der letzten Periode:
Empfehlungen zu den sog. Schlüsselkompetenzen, deren Beherrschung notwendig ist, der Europäische Qualifikationsrahmen; hier sollen die Länder best practises austauschen und durch Wettbewerb sich ständig weiter entwickeln.

Denn auch wenn die Wege der Bildungspolitik lang sind und Veränderungen sich erst Jahre und Generationen später zeigen, so betreffen die Folgen von Bildungsmaßnahmen den wesentlichen Faktor, der die Wirtschaftslandschaft langfristig prägt: den Menschen selbst.

Auch die Europäische Metropolregion Nürnberg bietet mit ihrer Vielzahl an Hochschulen und Forschungseinrichtungen einen exzellenten Ausgangspunkt für Wissenschaft und Lehre. Die Universität Bamberg beherbergt zum Beispiel das Nationale Bildungspanel - eine Institution, die es ermöglicht, zentrale Bildungsprozesse nachzuvollziehen und zu analysieren.

IV Europa für den Menschen
Oft kommen Schulklassen zu mir nach Brüssel oder Straßburg und fragen mich, inwiefern die Europäische Union ihre Ausbildung beeinflusst. Eine berechtigte Frage, denn in den Bereichen Kultur und Bildung beschränkt sich der Handlungsspielraum der EU lediglich auf die Eingriffsmöglichkeiten, die ihr durch das Subsidaritätsprinzip gewährt werden. Es ist die Aufgabe der EU, den Rahmen zu gestalten, in dem sich die nationalen Politiken bewegen und das zu leisten, was die einzelnen Staaten allein nicht zu schaffen vermögen.

(1) Bildung
Der demographische Wandel und die Globalisierung sind nur einige der Faktoren, die von allen Menschen - ob jung oder alt, in Ausbildung oder bereits im Arbeitsleben integriert - mehr Kompetenzen als zuvor verlangt.
Lernen ist heute keine Lebensphase, die ab einem bestimmten Alter abgeschlossen ist, sondern eine lebenslange Aufgabe. Wissen und Fähigkeiten, die an der Schule oder Hochschule erworben wurden, müssen während des ganzen Arbeitslebens in einem Prozess des lebenslangen Lernens auf den neusten Stand gebracht werden. Mit diesem Wissen hat die Europäische Union im Jahr 2007 das aktuelle europäische Bildungsprogramm "Lebenslanges Lernen" oder "Lifelong Learning" (LLL) ins Leben gerufen, das alle bisher schon bestehenden Bildungsprogramme umfasst und zusätzlich neue Aktivitäten aufnimmt.

Ein wesentliches Instrument des europäischen Beitrags zur Bildungspolitik ist die Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden sowie der Erwerb von interkulturellen Schlüsselkompetenzen. In diesem Sinne bietet die EU Programme an, die sich generationsübergreifend auf jede Stufe der menschlichen Entwicklung beziehen. Angefangen mit COMENIUS, das sich auf den ersten Bildungsabschnitt, die Schule, bezieht und das Ziel hat, die europäische Dimension des Unterrichts zu erhöhen durch Zusammenarbeit mit Schulklassen in anderen Ländern Europas. So können die Kinder schon in jungen Jahren erfahren, dass kulturelle Unterschiede und verschiedene europäische Traditionen die kulturelle Identität Europas ausmachen. Ein weiteres Anliegen von COMENIUS ist der individuelle Schüleraustausch, der es ermöglicht, ein Schuljahr eine Schule im europäischen Ausland zu besuchen, ein Herzenswunsch meinerseits seit Anfang meiner EP- tätigkeit - warum sollen unsere Kinder an eine Highschol in USA gehen? Aber nutzt die KMK diese Möglichkeit für unsere Kinder in der Sekundarstufe I? Sie verweigert den Schülern die Teilnahme, da sie kein Geld aufbringen will für eine Verwaltungsstelle beim PÄD; Ca. 70000 € sind aufzubringen von 16 Ländern!!
Sie weigert sich sogar das Angebot der Bundesbildungsministerin , diese Stelle zu bezahlen , anzunehmen, da man sonst vom Pfad der Subsidiarität abwiche.
Für Studierende oder Auszubildende bieten die bekannten Programme ERASMUS und LEONARDO DA VINCI grenzenübergreifende Bildung, indem sie es ermöglichen, Kenntnisse durch einen Auslandsaufenthalt während des Studiums oder der Ausbildung zu vertiefen.

Das vierte Glied der europäischen Bildungskette ist das GRUNDTVIG - Programm. Als Antwort auf den demographischen Wandel und die zunehmenden Anforderungen für Arbeitnehmer soll es Erwachsene ermutigen, erneut den Bildungsweg zu beschreiten um neue Qualifikationen zu erwerben. Dies ist nicht nur wichtig für Erwachsene, die sich aufgrund einer prekären Arbeitssituation zwangsweise umorientieren müssen, sondern auch für diejenigen, die im Berufsleben stehen.
Denn Bildung und insbesondere Erwachsenenbildung tragen zum Wachsen der Persönlichkeit, zur Selbstachtung, zur aktiven Bürgerschaft, sozialen Integration und zum interkulturellen Dialog bei.
Das Erlernen der Sprache eines direkten Nachbarn und einer Lingua franca muss heute eine conditio sine qua non sein; sonst ist die aktive Teilhabe am gemeinsamen Markt nicht möglich und große Chancen können nicht wahrgenommen werden.
Die stärkere Integration von Erwachsenen im Bildungsprozess bedeutet allerdings auch, dass sich die bestehenden Institutionen stärker öffnen müssen. Universitäten sollen nicht nur Studierenden zugänglich sein, sondern einen Bildungsraum für alle bieten.
Obwohl die Europäische Union bereits eine grundlegende Basis für interkulturellen Austausch geleistet hat, müssen weitere Schritte unternommen werden, um dem Ziel einer europäischen Bildungslandschaft näherzukommen. Es reicht nicht aus, Programme zu initiieren, von denen Menschen profitieren, die sich bereits in Bildungsinstitutionen befinden, sondern es muss auch erreicht werden, dass sich mehr Menschen weiterbilden.
Die Krise hat die Notwendigkeit des Wandels von Wirtschaft und Gesellschaft beschleunigt. Die Welt ändert sich, die Arbeit ändert sich. Manche Berufe verschwinden, andere z.B .in der green economy, im Gesundheits - und Pflegesektor gewinnen an Fahrt. Neue Fertigkeiten sind gefragt, technische Neuerungen zwingen zum lebenslangen Lernen. Die EU will gerade zu diesen Themen Vorschläge machen, die dann vom Rat eigentlich dankbar aufgenommen und umgesetzt werden sollten.
Es wäre aber hilfreich für den Erfolg, wenn der Rat das Parlament mit einbezöge und nicht alles in der sog. Offenen Koordinierung allein machte. Was dabei herauskommt, kann man an dem Bolognaprozess beobachten. Viele Fehler hätten vermieden werden können, wenn dieser den Prozess der parlamentarischen Beratung durchlaufen hätte. Aber daran hindert eine falsch verstandene Subsidiaritätsvorstellung. Man braucht die EU Kommission , um den Prozess einigermaßen zu händeln, aber die vom Volk gewählten Abgeordneten schließt man sogar bei der Diskussion aus.


Eine weiteres Instrument mit dem die Europäische Union Bildung ermöglicht, sind Aktionen, bei der Eigeninitiative von Bürgern und Institutionen die zentralen Bildungselemente sind. So können Jugendliche und Jugendgruppen beim Programm "Jugend in Aktion" mit der finanziellen Unterstützung der Europäischen Union eigene Projekte wie Konferenzen oder Jugendtreffen verwirklichen, die einen Beitrag zu einem europäischen Verständnis leisten. Eine Aktion des Jugendprogramms - die ich mit initiiert habe - ist beispielsweise der seit 1998 existierende Europäische Freiwilligendienst, der Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Möglichkeit gibt, sich in einem anderen europäischen Land freiwillig zu engagieren und dabei den persönlichen und beruflichen Horizont zu erweitern.


(2) Kultur
"Nous ne coalisons pas des Etats, nous unissons des hommes" - Wir einigen keine Staaten, wir bringen Menschen zusammen" - So formulierte schon Jean Monnet 1952 die Idee, von der Europa geprägt sein sollte. Allerdings wurden die Prozesse der "Europäisierung" zu dieser Zeit hauptsächlich durch wirtschaftlich dominierte Interessen bestimmt. Die kulturelle Identität und die Bedürfnisse des Einzelnen spielten für die Entwicklung eines europäischen Geistes lediglich eine Nebenrolle. Diese Perzeption europäischer Identität hat sich im Laufe der Zeit allerdings grundlegend geändert. Es ist mittlerweile klar, dass die Basis der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Einigung Europas in ihrer Kultur liegt.

Und damit, meine Damen und Herren, ist nicht lediglich eine Kultur gemeint - nein, sondern die Vielfalt aller Kulturen in den 27 Mitgliedsstaaten. Jedes Mitglied besitzt eine eigene Sprache manchmal sogar mehrere, Geschichte, regionale Kulturen - kurzum eine eigene Identität. Diese zu wahren und zu verbreiten ist die integrale Aufgabe Europäischer Kulturpolitik.

Die Kulturpolitik der Europäischen Union ist umfassend: Neben dem Förderprogramm Kultur, das den Kulturinstitutionen und den kulturschaffenden Individuen Austausch und finanzielle Unterstützung ermöglicht, verfolgt die Europäische Union gleichfalls Projekte, die den gemeinsamen europäischen Gedanken verfolgen und einzelne Kulturregionen und Städte im Sinne der europäischen Einheit besonders hervorheben.

Ein wesentliches Projekt europäischer Kulturpolitik war die Initiierung der Kulturhauptstadt Europas. Als dieser Prozess 1985 gestartet wurde, ging es im Kern auch darum Anreize dafür zu schaffen, dass sich die Europäer gegenseitig besuchen kommen und kennenlernen und durch das Knüpfen von grenzüberschreitenden Netzen weitere Gemeinsamkeiten stiften. Heute, 25 Jahre später, erfolgt die Kommunikation durch die rasante Entwicklung des Städte-Massentourismus und das schier uferlose Angebot privater elektronischer Medien, auf andere Weise viel effektiver. Trotzdem ist die Kulturhauptstadt immer noch in aller Munde. Denn: die Effekte, die von solch einer Veranstaltung ausgehen sind nicht nur auf das kulturelle Jahr begrenzt: Die Städte und Regionen profitieren auch allgemein von ihrer erhöhten Sichtbarkeit und Popularität sowie der Weiterentwicklung ihrer lokalen Wirtschaft.

Das Gebiet der Kulturhauptstadt Ruhr2010 umfasst 5 Millionen Einwohner, 53 Städte, hunderte Institutionen und Einrichtungen der Kultur partizipieren. Sie können sich sicher vorstellen, welchen Umfang die Koordination eines solchen Events einnimmt. Aber gerade das ist auch der gewollte Nebeneffekt der Initiierung einer Kulturhauptstadt: Institutionen arbeiten miteinander, vernetzen sich und am Ende des Jahres bestehen neue Netzwerke und nachhaltige Strukturen im kulturellen Sektor. Und: Bürger, die sich bisher vielleicht nicht sehr intensiv mit Kultur auseinandergesetzt haben, kommen durch die Omnipräsenz derselbigen mit ihr in Kontakt.

Ruhr2010 ist es nicht nur gelungen, ein absolut modernes und ambitioniertes Programm zu erarbeiten, an dem das ganze Gebiet und eine Vielzahl europäischer Partner partizipiert – sondern auch ein Projekt zu entwerfen, das sich durch große Nachhaltigkeit und ebenso intelligente wie stabile Arbeitsstrukturen auszeichnet. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was das kulturelle Jahr weiterhin bringen wird!

Ein weiterer Aspekt der Schaffung kultureller Identität betrifft den Erhalt und Umgang mit kulturellem Erbe - ein Thema, das ebenfalls bei dem diesjährigen Wissenschaftstag gewürdigt wird. Die Europäische Union hat in diesem Zusammenhang die Europäische Online-Bibliothek Europeana ins Leben gerufen, auf der über 4,6 Millionen Werke europäischer Kultur in digitalisierter Form zur Verfügung stehen. Mehr als 1000 Museen, Bibliotheken oder Kultureinrichtungen partizipieren derzeit an dem Projekt. Damit Europeana allerdings zu etwas wie "Europas digitalem Gedächtnis" wird, müssen wir die Mitgliedsstaaten dazu bewegen, stärkeres Engagement zu zeigen: Bis jetzt ist etwa die Hälfte der Werke von Frankreich beigesteuert worden, von Deutschland und anderen Ländern hingegen viel weniger. Polen hat Goethe geliefert, Deutschland noch nicht.

Seit längerer Zeit ist auch die Erschaffung eines European Heritage Labels in der Diskussion. Es hat nicht nur zum Ziel, wichtige Stücke europäischer Kultur zu kennzeichnen, sondern auch das Wissen über die gemeinsame Geschichte und das mannigfaltige kulturelle Erbe Europas zu erhöhen – also zu einer europäischen Identität beizutragen.
Das Grünbuch zu Kultur-und Kreativindustrien wird demnächst vorgestellt; in der Zeit der neuen Medien und der rasanten Entwicklung in digitalen Bereich ein unbedingt notwendiger Diskussionsanstoß. Wem ist denn klar, dass diese Industrien mehr zum Bruttosozialprodukt beitragen als die chemische Industrie und andere?

Das vor zwei Jahren gegründete EIT( European technolgy institut )– zunächst zu Recht heftigst kritisiert dann in einer geländegängigeren Form akzeptiert, hat seine Arbeit aufgenommen und ist erfolgreich. Eine Idee vom damaligen und heutigen EU Präsidenten Barosso.

(3) Gesundheit
Ein weiteres Thema beim heutigen Wissenschaftstag ist das Thema "Neue Gesundheitsförderung". Aus einer umfassenden Gesundheitsförderung ist Sport heutzutage als präventives aber auch heilendes Element nicht mehr wegzudenken. Und auch in dieser Hinsicht besitzt Europa erhebliches Potenzial: Etwa 700.000 Sportvereine, die von 10 Millionen ehrenamtlichen Unterstützern getragen werden, befinden sich auf europäischem Raum. Im Vertrag von Lissabon besteht nun erstmals eine im Primärrecht verankerte Kompetenz für den Sport wie das EP sie in meinem Sportbericht 1996 gefordert hat. Wie genau man mit dieser Errungenschaft umgeht, wird momentan noch diskutiert. Ein zentrales Element wird dabei allerdings sein, deutlich zu machen, dass Sport keine ausschließliche Angelegenheit für Profisportler und Unternehmen ist. Sport sollte Teil des gesellschaftlichen Lebens aller sein und bleiben Es sollte gewährleistet sein, dass Gelder, die an der Spitze der europäischen Sportpyramide erwirtschaftet werden, auch dem Amateursport zu gute kommen.
Ich arbeite zwar nicht im Bereich der Gesundheits und Verbraucherpolitik, aber ich will schon darauf verweisen, das da viel Gutes von Europa kommt- wie die notwendige Lebnsmittelkennzeichnung. Aber gerade in diesem Politikfeld wird oft zuviel des Guten getan .Wenn ein eifriger südländischer Kommisssionsbeamter glaubt , er muss die Menschheit vor dem Salz im Brot retten, dann zeigt das nur, dass er zeit seine Lebens nur Weissbrot gegessen hat und von der Brotback- kultur gerade bei uns nichts versteht. Solche Überregulierungsideen führen leider zu der EU Müdigkeit vieler Menschen. Aber ich gestehe, auch im EP gibt es viele solcher Gutmenschen, die uns ständig beglücken wollen mit Überregulierungen. Bis jetzt hatte die Vernunft, das heisst wir, aber noch meistens die Mehrheit..



Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesem Vortrag einen kleinen Überblick über die Handlungsräume europäischer Kultur-, Bildungs- und Sportpolitik geben konnte.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einige Gedanken zu einer gemeinsam europäischen Zukunft sagen.

„Sich die Frage nach der Identität Europas stellen heißt, sich seine Verantwortlichkeiten neu bewusst machen" hat ein italienischer Staatsmann mal geäußert. Europa lebt von der Bereitschaft zur Verantwortung, von unserer eigenen Verantwortung für Europa, aber auch von der Verantwortung, die uns als Europa zukommt. Beidem müssen wir gerecht werden, wenn wir wollen, dass Europa erfolgreich bleibt.

Zweifelsohne ist es derzeit nicht leicht, Orientierung zu finden und ungleich schwerer, Orientierung zu geben, die wesentlichste Aufgabe der Politiker. Die globalisierte Welt hat unsere gewohnten Perspektiven verändert, Entferntes betrifft uns unmittelbar und niemand weiß mit Sicherheit zu sagen, wie das rasante Tempo der Evolution am besten zu meistern sei. Dabei spüren wir aber, dass wir gefordert sind, Position zu beziehen. Wollen wir Chancen nutzen und Risiken vermeiden, helfen weder Nostalgie noch Pessimismus und Passivität, nur Engagement und Bereitschaft zur Verantwortung. Dies gilt für den Einzelnen, für unsere Staaten wie für Europa.

Mir geht es heute vor allem um die Verantwortung Europas in der immer enger zusammenrückenden Welt und insofern auch um die Verantwortung Europas für sich selbst. Mir hat vor einiger Zeit ein hochrangiger UN Mitarbeiter über ein Gespräch mit einem afrikanischen Regierungschef berichtet, dem er in bester Absicht viele gute und sehr europäische Ideen vortrug, was alles gemacht und reformiert werden müsse, um die Entwicklungsprozesse zu beschleunigen, und es müsse vor allem rasch gehandelt werden, wir hätten nicht mehr viel Zeit. Die eindrucksvolle Antwort des Afrikaners: „Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit", dies dürfte unserem Bild in weiten Teilen der nicht-westlichen Welt entsprechen.

Wollen wir Europäer unsere Rolle in der Welt finden, müssen wir Klarheit schaffen, wie Europa zu organisieren ist, wie unser Verhältnis zu Amerika gestaltet werden sollte, wie wir den Westen als Rahmen unserer Lebensform stärken können und wie wir es als Westen schaffen können, der nicht-westlichen Welt zu vermitteln, dass wir nicht gegen sie stehen. Uhren und Zeit gehören zusammen. Wir können die Zeit nicht begreifen, ohne sie zu messen. Um sie aber zu messen, brauchen wir Zeit.

Der Lissabonner Vertrag mag nicht allen Wünschen entsprechen, jedoch enthält er die längst überfälligen Instrumentarien, die größer gewordene und noch wachsende EU zu steuern. Es liegt dann in unserer Hand, Europa weiter sinnvoll zu modernisieren, und wir sollten uns mit aller Energie darum kümmern.
Gestaltungswille und Gestaltungskraft sind in einer immer komplexeren EU immer mehr auf die verbindende Kraft europäischer Identität angewiesen. Europäische Politik muss das Gemeinsame ihrer Werte identifizieren, und sie muss Klarheit schaffen über die Grenzen der Union.

Verantwortung für Europa - als Europäer stehen wir vor der großen Aufgabe, unsere zukünftige Rolle in der Welt zu definieren. Vaclav Havel hat diese bereits vor einigen Jahren (1996) mit der Sensibilität eines Staatsmanns und Literaten beschrieben: „Europas Aufgabe liegt nicht mehr darin und wird nie wieder darin liegen, die Welt zu beherrschen, in ihr mit Gewalt seine Vorstellung von Wohlstand und Gut zu verbreiten oder ihr seine Kultur aufzuzwingen, nicht einmal darin, sie zu belehren. Die einzige sinnvolle Aufgabe für das Europa des nächsten Jahrtausends besteht darin, sein bestes Selbst zu sein, das heißt, seine besten geistigen Traditionen ins Leben zurückzurufen und dadurch auf eine schöpferische Weise eine neue Art des globalen Zusammenlebens mitzugestalten."

Europäische Identität, die sich in ihren vielfältigen Kulturen widerspiegelt, und die Bereitschaft, als Europäer Verantwortung zu übernehmen, gehören zusammen. Die Zukunft Europas wird sich daran entscheiden, ob und wie wir Europäer unsere Verantwortung in der Welt annehmen. In unseren Gesellschaften sollten wir Tendenzen zu Introvertiertheit und Ichbezogenheit bekämpfen, Reformbereitschaft fördern, politischen Mut, Empathie für nahes, aber eben auch für entferntes Leiden, und wir sollten den Blick über unseren Kontinent hinaus schulen.

Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen und vor allem bereichernden Wissenschaftstag.

Vielen Dank