Individuelle Förderung in den Schulen Europas...
15.08.2011

Individuelle Förderung in den Schulen Europas

Zum dritten Mal treffen sich Multiplikatoren aus zahlreichen europäischen Bildungsreinrichtungen im Frühjahr 2012 in Südtirol, um eine Woche lang darüber zu diskutieren, wie individuelle Förderung in heterogenen Lerngruppen in der Schule umgesetzt werden kann und so die Förderung von besonders begabten SchülerInnen ebenso gelingen kann wie die Inklusion von Kindern mit Problemen. Der Austausch in einer international zusammengesetzten Gruppe ist hier besonders gewinnbringend, da bei unseren europäischen Nachbarn einerseits die Förderung von besonders begabten SchülerInnen wie auch die inklusive Beschulung zum Teil seit vielen Jahren und Jahrzehnten praktiziert wird.

1997 hat Roman Herzog (von 1994 bis 1999 siebter deutscher Bundespräsident) in Berlin seine gerühmt gewordene „Ruck-Rede“ gehalten. Ein „Ruck“ sollte auch durch die Bildungslandschaft der Bundesrepublik Deutschland gehen.

Eine wesentliche Voraussetzung für eine individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler in unseren Schulen sind die „12 Augsburger Thesen zur inneren Schulentwicklung“, verfasst im Februar 2000 durch das Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Mit ihnen werden Weichen gestellt für die bayerischen Schulen. Der Erfahrungaustausch mit unseren europäischen Partnern dazu erlaubt eine weltoffene und reflektierte Umsetzung in unseren Schulen:

1. Eine stärkere Flexibilisierung bei der Gestaltung der Stundentafel kann der einzelnen Schule mehr gestalterischen Freiraum verschaffen.

2. Den Schulen soll eine Möglichkeit eröffnet werden, bei der Auswahl der Lehrkräfte mitzuwirken; so können sie leichter ihr Profil entwickeln.

3. Die Einführung von klar definierten Standards einer kontinuierlichen Qualitätssicherung (TQM) sowohl innerhalb der Schule als auch von außen soll das Streben nach einem möglichst hohen Niveau des Bildungs- und Erziehungsangebots einer Schule wirkungsvoll unterstützen; im Vordergrund steht dabei die Steigerung der Unterrichtsqualität als Dreh- und Angelpunkt jeder guten Schule.

4. Die Lehrerfortbildung (v.a. schulinterne Fortbildung, regionale Fortbildung) soll zielgenauer auf die Profilbildung der einzelnen Schule ausgerichtet werden; die Schule selbst kann so die Prioritäten setzen, die ihr am wichtigsten sind.

5. Das Schulforum, ein gewähltes Team aus allen am Schulleben beteiligten Gruppen, soll in seiner Funktion gestärkt werden: Hier können vor allem die Eltern sich stärker in die Erarbeitung gemeinsamer Leitlinien für die Erziehung einbringen, können Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam dem Schulleben wesentliche Impulse geben.

6. Ein Schulprogramm, an dem Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte mitarbeiten, fixiert den pädagogischen Konsens einer Schule schriftlich, indem es Antworten auf zentrale Fragen formuliert: Was ist unser Ziel? Worum wollen wir uns alle gemeinsam bemühen? Welchen Werten und Grundsätzen fühlen wir uns verpflichtet?

7. Die Schule sollte sich nach außen öffnen. Im Umfeld angesiedelte Unternehmen, benachbarte Schulen und Bildungseinrichtungen bilden eine unerschöpfliche Quelle interessanter Ressourcen.

8. Eine erweiterte Methodenkompetenz der Lehrer bildet die Grundlage für einen qualitätsvollen und modernen Unterricht. Jede Lehrkraft sollte über eine Palette verschiedener Unterrichtsmethoden verfügen wie etwa Lernzirkelarbeit, Erarbeiten eines Stoffgebiets im Team oder Freiarbeit.

9. Unterrichtsgestaltung und Leistungserhebungen müssen daraufhin überprüft werden, wie statt des weit verbreiteten und wenig effizienten punktuellen Lernens Nachhaltigkeit und vernetztes Denken in den Vordergrund rücken können.

10. Lehrerinnen und Lehrer sollen sich nicht als Einzelkämpfer, sondern als Mitglieder eines leistungsfähigen pädagogischen Teams erleben, in dem der gegenseitige Erfahrungsaustausch und die gegenseitige Hilfe einen wesentlichen Beitrag zu einer neuen Berufszufriedenheit leisten kann. Angebote wie Supervision, Aufbau eines Netzwerks benachbarter Schulen, die Anregungen und Erfahrungen austauschen, sollen ausgebaut und erprobt werden.

11. Schülerinnen und Schüler sollen schrittweise die Rolle der passiv Belehrten zugunsten der aktiv Gestaltenden verlassen. Durch das Angebot neuer Unterrichtsmethoden, die Leistungsbereitschaft und Fantasie stärker einfordern, sowie durch selbstgesteuerte Lernprozesse sollen sie Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit gewinnen.

12. Schülerinnen und Schüler sollen zu ihrer Verantwortung für die eigene Schule stehen und sie aktiv wahrnehmen. Eine Schule hält Aufgaben für jeden bereit: Ob man sich in der Tutorengruppe für die Jüngeren engagiert, in der Freizeit eine Sportgruppe betreut, in der Schülerzeitungsredaktion mitarbeitet oder sich um das Internet-Café kümmert. Ziel ist es, dass jede Schülerin und jeder Schüler eine Aufgabe in der schulischen Gemeinschaft übernimmt.

Der neue, seit dem Schuljahr 2001/2002 sukzessive eingeführte Grundschullehrplan in Bayern sieht
vielfältige Maßnahmen der Differenzierung und Individualisierung des Unterrichts zur besseren Förderung unterschiedlicher Begabungen vor. Beobachtungsbögen sollen dabei helfen, domänenspezifische Begabungen früher zu diagnostizieren und zu fördern.